Reißen wir die Mauern ein die uns trennen!
Es gibt heute in der Linken wohl kaum politisch arbeitende Menschen, Gruppen oder Organisationen, die sich im Laufe der Zeit nicht durch staatliche Repression in ihrer politischen Tätigkeit verfolgt oder behindert sahen. Auch wenn wir aus unterschiedlichen Kämpfen und Bewegungen kommen (wie z.B. aus antifaschistischen,antirassistischen Zusammenhängen,aus der Antiatom und/oder der Umwelt und Ökologie-Bewegung, und/oder uns am Kampf gegen Krieg und Kapitalismus beteiligen) Gerade klassenkämpferische und antikapitalistische Organisierung, die sich nicht zu Kompromissen und Zugeständnissen an das kapitalistische System hinreißen lässt, wird auf kurz oder lang mit staatlicher Repression konfrontiert und das letzte Repressionsinstrument des Staates ist das Gefängniss. In unserem Kampf gegen die herrschenden Verhältnisse dürfen wir gerade diejenigen, die aufgrund ihrer politischen Tätigkeiten und Überzeugungen hinter Gittern sitzen nicht vergessen und damit alleine lassen. Dabei kann es für uns keine Rolle spielen ob sie im Sinne des bürgerlichen Gesetzbuchs “schuldig” oder “unschuldig” sind. Sie sind ein Teil von uns, sie sind unsere Genossinnen und Genossen und brauchen unsere Solidarität.
Getroffen werden einige – gemeint sind wir alle!
Solidarität muss praktisch werden: Schreibt den gefangenen Genossinnen und Genossen!
Für die Gefangenen aus unserer Bewegung, unseren Zusammenhängen und unseren Kämpfen (wie z.B. Streiks, Kriegsdienstverweigerung, Mitglieder aus revolutionären Gruppen usw.), also diejenigen, die wir im weitesten Sinn als politische Gefangene definieren, ist es enorm wichtig sie weiterhin in den weitergehenden Widerstand miteinzubeziehen. Das heißt ihnen von Aktionen zu erzählen, ihnen Zeitschriften zu schicken (wenn sie diese wollen) und mit ihnen gegenbenenfalls Strategien und Ideen zu diskutieren. Sicherlich gibt es einige die nichts mehr von Klassenkampf und Revolution hören wollen, und die nur noch ihre Strafe absitzen möchten. Dies müssen wir selbstverständlich respektieren. Doch gerade für die meisten der politischen Gefangenen gilt dies nicht. Im Gegenteil ist gerade für die politischen Gefangenen sehr wichtig, weiterhin von den Kämpfen “draußen” etwas mitzubekommen und soweit wie möglich mit einbezogen zu werden.
Politische Gefangene werden in der Regel selbst im Knast (u.a. auch von den anderen Gefangenen) isoliert. Zusätzlich kann es (wie bei anderen renitenten Gefangenen natürlich auch zu Angriffen der WärterInnen (Rollkommandos) kommen, dazu können weitere Schikanen (wie z.B. Beleidigungen, Belästigungen) sowie weitere verschärfte Restriktionen kommen. So kann ein Brief den hellsten Punkt eines Tages hinter Gittern ausmachen.
Das Leben im Knast ist tot langweilig, und jegliche Nachricht die etwas Licht bringt, egal ob sie von einer bekannten oder unbekannten Person kommt, ist stets willkommen. Für Inhaftierte zählt daher der Erhalt von Briefen zu den wenigen Lichtblicken im alltäglichen Grau des vor-sich-hin-lebens in der Anstalt. Hinter den Mauern mit Stacheldraht, Wachtürmen und bewaffneten Schließern gibt es kaum menschliche Nähe und Gefühle, sondern Unterordnung und den täglichen Kampf ums Überleben. Aber eine Möglichkeit, diese Mauern der Passivität und Kälte zu überwinden, ist das Schreiben von Briefen an Gefangene. Es schafft eine Abwechslung und gibt die Möglichkeit die eigenen Gedanken zu erweitern und die Isolation ein stückweit zu durchbrechen.
Sie sind drinnen für uns, wir sind draußen für sie:
Die Gefangenen sollen gebrochen werden, indem ihnen jegliche Emotionen, Gefühle und menschliche Nähe vorenthalten werden. Der regelmäßige Kontakt mit ihnen, sei es durch Briefe,Telefonate oder Besuche, ist das einzige Mittel, die von den Herrschenden befohlene und von den Knastwärtern praktizierte Kontrolle über das tägliche Leben zu durchbrechen.
Wie fange ich an zu schreiben?
Zu erst einmal: Jedes Wort von draußen ist eine willkommene Abwechslung, jede Postkarte gibt Hoffnung und mensch stört die Leute nicht. Unserer Erfahrung nach deprimiert es niemensch, von Erlebnissen, Erfahrungen, Aktionen oder dem schönen Wetter draußen zu lesen. Im Gegenteil freuen sich die meisten Gefangenen sehr, weil es die Fantasie und Vorstellungskraft anregt und gut tut, zumindest im Geist den grauen Alltag des Knastes zu verlassen und etwas anderes zu sehen als die Zelle und Knastmauern.
Wenn du jemensch zum ersten Mal schreibt, die*den du nicht persönlich kennst, stell dich am besten kurz vor, schreib was deine Motivation ist, dieser Person zu schreiben, erzähl von deinem Alltag, Hobbies, politischen Ideen und Kämpfen. Werde dabei zu deiner eigenen Sicherheit aber nicht zu explizit.
Frag die Person, was sie braucht, oder worüber sie schreiben will oder was dich sonst interessiert und schreib über deine Kapazitäten und Vorstellungen wie der Kontakt aussehen soll. Halte den ersten Brief aber lieber kurz und löcher die Person auch nicht mit Fragen.
Schreib was du in letzter Zeit gemacht oder erlebt hast und verwende vor allem bildhafte, beschreibende Sprache. Beschreib z.B. einen Spaziergang im Wald. Knast ist grau und eintönig und Beschreibungen von Farben, Landschaften, etc. regen die Vorstellungskraft an. Verwende gerne auch Farben im Brief.
Auch total schön sind Bilder oder Zeichnungen und wenn ihr euch besser kennt könnt ihr natürlich auch anfangen gemeinsame Projekte zu starten. Bücher oder Broschüren schreiben, Comics gemeinsam zeichnen, Zeitungsartikel oder Romane schreiben, eigentlich gibt es hier wenig Einschränkungen.
Worauf du aus Sicherheitsgründen achten solltest:
Die Briefe an Gefangene werden fast alle vom Knastpersonal gelesen, manches wird zurückgehalten oder zensiert. Wenn Menschen in Untersuchungshaft sind werden die Briefe auf jeden Fall auch von der Staatsanwaltschaft gelesen und können auch für das Verfahren gegen die Person verwendet werden. Schreib daher nichts, was die Person oder dich selbst belasten könnte.
Schreib am besten nichts zu dem Tatvorwurf selbst.
Schreib am besten anonym. Du solltest bei Briefen immer einen Absender auf den Briefumschlag schreiben, sonst kommen sie nicht an. Wenn du eine Antwort willst, schreib den Absender auch in den Brief selbst. Gib einfach ein Pseudonym und z.B. die Adresse eines Infoladens, der regelmäßig geöffnet ist an. Dort kannst du die Post dann abholen.
Nummeriere die Seiten des Briefes (Seite 1/5) und schreib ein Datum auf den Brief. So kannst du sicherstellen, dass nichts verloren geht oder die Person es zumindest mitbekommt wenn etwas fehlt und wie lange der Brief braucht um durch zu kommen.Schreib dazu außerdem auf den Briefumschlag, was im Briefumschlag ist und den
Eigentumsvorbehalt:
Eigentumsvorbehalt: Dieser Brief bleibt solange Eigentum der* Absenderin* bis er dem*r Gefangenen persönlich ausgehändigt wurde. "Zur Habe Nahme" gilt nicht als persönliche Aushändigung im Sinne des Vorbehalts. Sollte ein Teil des Briefes nicht ausgehändigt werden,so ist dieser und nur dieser Teil unter Angabe der Gründe für die Nichtaushändigung an den*die Absender*in zurückzusenden. Der Rest ist auszuhändigen.
Was Außerdem noch wichtig ist:
Vermeide Kritik am Verhalten der Gefangenen und Schuldzuweisungen, das ist sehr demotivierend und nicht hilfreich.
Schick unbedingt auch Briefmarken und Briefumschläge mit. Das müssen die Gefangenen alles selbst bezahlen und diese sind dort sehr teuer.